Wer erinnert sich an den Latein-Unterricht? Wie hilfreich war es da, wenn man einen Text übersetzen sollte und schon Anmerkungen zu Vokabular oder Grammatik im Buch vorfand. Genau solche hinterließen auch Mönche im Mittelalter, wenn sie Handschriften kopierten. ➡ Bernhard Bauer und sein Team analysieren diese Notizen – sogenannte Glossen –, um mehr über Sprachkontakt und Wissensweitergabe in der damaligen Zeit herauszufinden.
Der Hinweis: „Das ist ein Nominativ“, die bretonische Übersetzung des Wortes „codex“ oder der Versuch, einen lateinischen Infinitiv ins Irische zu übertragen. Derartige Anmerkungen finden sich in kopierten Exemplaren der um 500 nach Christus entstandenen lateinischen Grammatik des Byzantiners Priscian, die von Konstantinopel aus über Süditalien und Großbritannien nach Irland gelangte. „Nachdem die Insel nicht zum römischen Reich gehörte, war Latein dort weniger geläufig als auf dem europäischen Festland. Die Glossen machen deutlich, welche Hürden sich für die Iren beim Erlernen der damals weit verbreiteten Gelehrtensprache auftaten“, berichtet der Keltologe Bernhard Bauer. Er untersucht die Rand- und Zwischennotizen als wichtige Belege des Altbretonischen, Altirischen und Altwalisischen. „Die frühmittelalterlichen Varianten dieser heute kaum noch verbreiteten Sprachen beschäftigen mich schon seit meiner Diplomarbeit“, erzählt er.
Neben der Grammatik des Priscian analysiert Bauer ein Werk zur Kalenderberechnung des britischen Mönchs und Gelehrten Beda Venerabilis (672–735), das bis ins 15. Jahrhundert bedeutend war. „Ein großes Thema darin ist, wie man das richtige Osterdatum findet“, fasst er zusammen. Die Anmerkungen enthalten etwa relevante Zusatzinformationen oder alternative Wege, Festtage zu berechnen.
Manche Glossen haben hingegen rein gar nichts mit den Originaltexten zu tun, gewähren dafür Einblicke in die Lebens- und Arbeitsverhältnisse von damals. Man erfährt etwa, dass der Schreiber friert, sich mit altem Pergament und schlechter Tinte abärgert. „Solche persönlichen Informationen sind interessanterweise nur in irischen Notizen zu finden. Ich bin gespannt, ob ich dafür noch eine Erklärung finde“, rätselt der Wissenschaftler.
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