Literatur & Mehrsprachigkeit: Translanguaging & Code-Switching in the Literary Context
In welchen Erscheinungsformen begegnet uns Mehrsprachigkeit in literarischen Werken? Inwiefern beeinflusst das sprachliche Wissen der Leser:innen die Interpretation eines mehrsprachigen Romans oder Gedichts? Was motiviert Autor:innen zur Verwendung mehrerer Sprachen in ihren Texten – und sind sie sich ihrer mehrsprachigen Schreibpraxis stets bewusst?
Diesen Fragen und vielen mehr begegneten die Teilnehmenden an der Veranstaltung „Literatur & Mehrsprachigkeit“, organisiert vom GEWI-Schwerpunktbereich Mehrsprachigkeit, Migration und kulturelle Transformation, am 10. März 2025 im Recherchierraum des ITAT.

Nach einer Begrüßung durch Nadja Grbíc, Co-Sprecher:in des 1. Clusters dieses Forschungsbereichs und Professorin am Institut für Translationswissenschaften, und Lisa Schantl, der Organisatorin der Veranstaltung und Doktorandin am Institut für Anglistik, vermittelten die eingeladenen Forscherinnen Marianna Deganutti (Institute of World Literature, Bratislava) und Johanna Domokos (Universität Bielefeld und Károli University, Budapest) zuerst die essentiellen und aktuellen Überlegungen in der Forschung zu literarischer Mehrsprachigkeit (Literary Multilingualism). Danach luden sie die Teilnehmenden dazu ein, die Theorie durch eigene Schreibübungen in der Praxis zu erproben.
Zentrale Rollen nahmen die Vermittlung von Handwerkszeugen zur Analyse mehrsprachiger literarischer Werke sowie die Bewusstseinsbildung für die verschiedenen Formen und Ausprägungen von mehrsprachigem künstlerischem Ausdruck ein. Literarische Mehrsprachigkeit tritt auf verschiedenen Ebenen des Textes auf – vom Text an sich über die Mehrsprachigkeit der fiktionalen Welt und der Mehrsprachigkeit des Autors:der Autorin bis hin zu den Leser:innen und etwaigen Epitexten (Deganutti u. Domokos 2023). Diese Ebenen können in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, müssen dies aber nicht. Die verschiedenen Ausprägungen literarischen Sprachwechsels präsentierten die Forscherinnen auf Basis eines Modells, das von Domokos zum ersten Mal 2017 publiziert und seither stets erweitert wurde. Es setzt sich aus sieben Typen zusammen, die sich am Wesentlichsten durch die Intensität der auftretenden Sprachwechsel unterscheiden. „Zero-degree Code-switching“ bezieht sich beispielsweise auf latente Mehrsprachigkeit, also zum Beispiel auf ein Werk, das keine tatsächlichen Sprachwechsel aufweist, dem aber Mehrsprachigkeit durch subtilere Werkzeuge zugeschrieben werden kann. Die intensivste Form, Typ 6 beziehungsweise „Syntactic Translingualism“, beschreibt hingegen eine äußerst ausgeprägte Vermischung der vorkommenden Sprachen durch Praktiken von Interlanguaging wie Pidginisierung oder Relexifizierung (Domokos u. Deganutti 2021-2023). Diese Techniken wurden anhand von Lyrikbeispielen der Autor:innen Cia Rinne und Sabira Ståhlberg veranschaulicht.
Nach einem kurzen Exkurs in die multimodale Komponente mehrsprachiger Kreativität am Beispiel von Musik, präsentiert durch Deganutti, fand die Veranstaltung ihren Abschluss in einer Schreibübung. Die Teilnehmenden reflektierten über ihre eigenen Sprachhintergründe und -kenntnisse und verschriftlichten diese in Form eines kurzen mehrsprachigen Gedichts.
Bei weiterführendem Interesse am Thema sind die Website der interdisziplinären Forschungsgruppe LangueFlow sowie das Journal of Literary Multilingualism (JLM) zu empfehlen.